11. Eisweinlauf
Freitag 14.12.2012
Wir stehen an der Pforte des Klosters „Maria Hilf“ in Baden-Baden-Bühl. Die freundlichen Schwestern gewähren Einlass. Hinter dem imposanten Tor zeigt ein Schild den Weg zu den Parkplätzen. Im stockdunkel des riesigen Hofes suchen wir das Exerzizium. Die Rettung erscheint in Form einer älteren Schwester. Peinlich, peinlich, wir stehen genau vor dem Haupteingang. Im Innern des ehrwürdigen Gemäuers werden wir bereits erwartet. Die Anmeldung ist unproblematisch. Die Frau an der Rezeption erklärt den Weg zum Zimmer. Wir erkundigen uns wie wir morgen zu Frühstück kommen. Es wird heute Abend noch vorbereitet und an dem hinteren Tisch für uns bereitgestellt.
Das Zimmer liegt im 2. Stock und ist außer mit dem Aufzug auch über ein riesiges Treppenhaus zu erreichen. Die Einrichtung ist zweckmäßig, Dusche und Toilette befinden sich auf dem Gang. Ich dreh erst mal die Heizung auf.
Jetzt ist schon Zeit aufzubrechen. Nach Bühl-Vimbuch sind es laut Navi 4 km. Im Regen fahren wir zur Tulahalle. Der Empfang ist wohltuend herzlich. Rolf und Brigitte begrüßen jeden mit einer Umarmung, obwohl auch einige andere „Ersttäter“ unter den Anwesenden sind.
Kurz nach 19 Uhr gibt es von Rolf eine kleine Ansprache und die nahtlose Überleitung zum kalorienbunkern. Es gibt Gemüsemaultaschen mit einer leckeren Pilzsoße. Dazu Getränke nach Wahl und Kuchen. Der Saal ist voll geballter Ultraerfahrung und ich hab ziemlich Respekt vor Morgen.
Zwischendrin erledigen wir die Anmeldung, Jeder bekommt ein kleines Namensschild (hinten drauf sind die Telefonnummern der Mahlburgs) und einen Anhänger für die Tasche. Außerdem natürlich die bestellten Funktionsshirts. Ich nehm mir noch einen Regenumhang mit – sicher ist sicher.
An unserem Tisch sitzen Andrea, Hannelore, Wolfgang (ich blick erst nach einiger Zeit dass das der Bernath ist) und Jochen. Gegen später kommt noch Annette dazu, dann noch Heidi. Wir unterhalten uns angeregt. Plötzlich ist es 22 Uhr. Wir brechen auf. Die anderen übernachten in der angrenzenden Sporthalle.
Draußen ist die Luft ist ganz lau, aber es regnet immer noch.
Wir wollen das Frühstck inspizieren, aber es ist nicht da. Hoffentlich klappt das Morgen!
Samstag 15.12.2012
Um 5 Uhr klingelt der Wecker. Draußen regnet es. An der Rezeption leuchtet ein Notlicht. Das Frühstück ist nicht da. -Doch es ist da. Etwas versteckt ist ein einladend gedeckter Tisch für uns vorbereitet. Wir finden den Lichtschalter und machen uns über die liebevoll vorbereitete Tafel her.
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Der Regen hat aufgehört. Pünktlich um 6:15 sind wir an der Tulahalle. Kurze Zeit später kommt der Bus, und eine halbe Stunde später erreichen wir in Offenburg den Bahnhof. Es treffen weitere Läufer ein, die hier ihre Anmeldung machen. Insgesamt wollen sich 110 Läufer auf die Gesamtstrecke von 62 km machen.
Kurz vor dem Start werden vor der Halle noch Bilder gemacht und der Bürgermeister von Offenburg hält eine kurze Rede. Dann redet noch ein Vertreter der Weinkellerei Durbach.
Ungeduliges trippeln unter den Läufern macht sich breit. Endlich geht es los. Eskortiert von einem Polizeiauto verlassen wir den Bahnhof. Über eine große Eisenbahnbrücke führt der Weg durch den belebten Samstagvormittagverkehr. Langsam wird die Umgebung grüner. Wir haben Offenburg hinter uns gelassen.
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Auf die Umgebung kann ich mich leider nicht konzentrieren. Das Feld ist naturgemäß dicht zusammen. Man muss echt aufpassen dass man keinem in die Hacken läuft. Die Anstiege werden gegangen. Hier machen sich meine Geher-Defizite unangenehm bemerkbar. Ich kann nur in anstrengedem Powerwalking mit der Gruppe schritthalten. Ich bin einfach zu lahm. Macht aber erst mal nichts. Auf der Ebene und bergab ist das Tempo kein Problem.
Wir laufen meist auf befestigtem Untergrund. Der bis vor kurzem noch tiefe Schnee ist weg. Häufig sind Pfützen auf den Wegen die man aufgrund der knappen Abstände zu den Voranlaufenden erst kurz vorher sehen kann. Toll ist halt, wenn man selber trockenen Fußes die Wasserhindernisse überwindet, der Nebenmann aber volle Pulle ins Wasserloch tappt. Danke für die Nassen Füße. Es könnte aber schlimmmer sein. Regen wär echt blöd.
Es geht zwar hoch und runter, tendenziell machen wir aber Höhe. Der Lauf geht ja nicht im Rheintal entlang sondern auf den Höhen der Ortenau. Hier bestimmt Weinbau das Bild. In Reih und Glied sind die Rebstöcke angeordnet. Offenburg liegt schon weit hinter uns. Auf den Höhen hat man einen fantastischen Blick. Bald erreichen wir den Wald. Hier ist der Boden teilweise noch mit Eisplatten belegt. Immer wieder gehen die Hände in die Höhe, um die hinteren Läufer vor den glatten Stellen zu warnen. Bei einem steileren Bergabstück passiert es dann: Eine Läuferin stürzt. Die Hand ist blutig, sonst scheint aber nichts verletzt. Nach einer kurzen Schrecksekunde kann die Gruppe den Lauf wieder fortsetzten.
Auf dem nächsten Hügel sehen wir eine Burg. Sie ist nach knapp 10 km unser erstes Ziel, die Durbach Burg Staufenberg. Zuerst aber geht es steil bergauf. Als wir die Grundmauern der Festung erreichen teilt sich der Weg, und auch die Gruppe. Nanu? Norbert läuft links, da gehts bergab, ich entscheide mich für rechts, bergauf. Die Läufer der linken Gruppe dürfen eine steille Weinbergtreppe hinauf. Uns bleibt dies erspart. Kurz vor dem Tor der Burg treffen beide Gruppen zusammen. Die Aussicht ist grandios.
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Hinter dem Tor befindet sich unser Gepäck, den Nummern nach sortiert. Weiter oben steht dann die Verpflegung. Rechts die Getränke, und Links das Essen. So können die über 100 Läufer zeitnah versorgt werden. Zu trinken gibt es Tee, Wasser, Cola und Brühe. Das Essen ist typisch Ultra: es gibt alles. Ob süß oder salzig. Dieses Angebot läßt keine Wünsche offen. Die angebotenen Nußecken, Früchtebrot und Honigkuchen würden auch Zuhause meinen Plätzchentleller aufwerten. Man stellt sich hinten an, und geht dann an den langen Tischen entlang. Da sich alles mehrfach wiederholt kann man immer wieder zugreifen. Einfach genial ausgedacht
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Nach ca 10 Minuten mahnt Rolf zum Aufbruch. Erst müssen wir ein Stück runter, dann geht es weiter in den Weinbergen. Leider beginnt es zu regnen. Auch der wolkenverhangene Himmel verheißt nichts Gutes.
In so einer großen Gruppe zu laufen macht richtig Spaß. Wer keine Lust zum reden hat, kann den Gesprächen rundherrum zuhören. Meist geht es um irgendwelche Läufe die man gemacht hat, oder noch machen will. Hier sind alles Gleichgesinnte.
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Selten begegnen uns Fußgänger, Radler scheinen Heute auch nicht unterwegs, ab und zu kommt mal ein Auto. So ist eine der seltenen Ortsdurchquerungen die einzige Begegnung mit anderen Menschen. Da fallen wir als große Gruppe schon auf. In den Orten werden wir von einem Begleitfahrzeug gesichert. Rolf hält auch schon mal den Verkehr an. Sicherheit geht vor. Es ist ein erhebendes Gefühl, als Läufer mal nicht das schwächste Glied zu sein.
Nach weiteren 10 km haben wir die Fatima Kapelle oberhalb von Tiergarten erreicht. Der Pausenplatz ist ungeschützt. Regen und Wind können hier unangenehm angreifen. Heidi hat ihren Schirm aufgespannt. Obwohl sich die meisten darüber lustig machen suchen doch einige unauffällig bei ihr Schutz. Die meisten sind froh, als Rolf die Pause beendet.
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Jetzt folgt das längste Teilstück mit über 13 km. Vor der letzten VP taten mir ziemlich die Füße weh, wie immer bei km20 und hat wohl nichts mit der Geschwindigkeit zu tun. Jetzt läuft es wieder richtig locker. Wenn bloß die vielen Anstiege nicht wären. Irgendwie müssen die 1800 Höhenmeter ja zusammen kommen. Ich versuche weniger Kraft in das Hochgehen zu stecken. Dadurch falle ich aber in der Gruppe zurück. Beim runterlaufen kann ich das zwar aufholen, bin aber doch ziemlich angestrengt.
Andere haben wohl noch größere Probleme. Immer wieder kommt von hinten die Aufforderung langsamer zu laufen. Das Tempo an der Spitze ist aber gar nicht so hoch. Wegen der Ziehharmonika die durch das ungleiche Tempo entsteht sind die Hinteren ständig am rennen und die Vorderen machen dauernd Pause. Da muss man als Veranstalter schon gute Nerven haben, bei dem ständigen Gemecker. Auch der Regen macht die Stimmung nicht gerade besser.
Zur Abwechslung kommt jetzt ein Single Trail. Das läßt die Laune gleich steigen. Hier wird man gefordert, aber durch das niedrige Tempo nicht überfordert.
Der Regen hat auch aufgehört. Nochmal steil den Berg runter, über eine kleine Brücke, am Klettergarten vorbei und wir sind in Sasbachwalden. Hier bei km 33 ist ungefähr die Hälfte geschafft. Es stoßen neue Läufer dazu, und es gibt Glühwein.
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Ich nutze die Pause und hole ein paar Steinchen aus meinem Schuh. Dann geht es weiter. Beim ersten Anstieg erkennen wir, wieviel Läufer dazugekommen sind. Die sind noch richtig sauber – und jünger. Der Altersschnitt der Gruppe hat sich auf einen Schlag um 10 Jahre gesenkt.
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Oberhalb von Sasbachwalden bietet sich wieder ein grandioser Ausblick. Da – in der Ferne – scheint irgendwo die Sonne. Leider ist das nicht unsere Richtung. Trotzdem bekommen wir ein paar Strahlen ab. Zum gucken gibt es jetzt reichlich Gelegenheit. Gefühlt alle 5 Minuten kommt von hinten die Auffforderung langsam zu tun. Schon mehrmals hat Rolf die langsameren Läufer aufgefordert doch vorne mitzulaufen. Seit ich das beherzige hab ich keine Schwierigkeiten dem Tempo zu folgen. Das dauernde Stehenbleiben nervt dagegen ganz schön. Und dann auch noch diese allgemeinen Pinkelpausen!
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Nach 9 km haben wir die Burg Windeck mit der nächsten Verpflegung erreicht. Hier ist eine 20 m lange „Bar“ aufgebaut. Es regnet wieder
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Als wir gerade aufbrechen wollen kommt noch eine kleine Ansprache von Rolf: Wir sollen bei der nächsten VP alles aufessen, das wird nämlich die letzte sein.
Die 10 km sind nochmal abwechslungsreich: Weinberge, etwas Wald, eine sumpfiger Grasweg (vorher hatte ich gerade trockene Füße) kleine Orte und ein Rosenpark. Ich krieg mit, dass wir ziemlich verspätet sind. Wir wollen ja vor 18 Uhr auf dem Weihnachtsmarkt in Baden- Baden sein.
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Die letzte VP in Neuweier ist erreicht. Rolf gibt bekannt, dass jetzt jeder seine Warnweste, und wer hat, seine Stirnlampe anziehen soll. Das ist Vorschrift, wenn man bei Dämmerung und in der Nacht unterwegs ist. In weiser Voraussicht gibts im Begleitfahrzeug Warnwesten zu kaufen.
Die Walker die die letzte Etappe mit uns laufen wollten sind schon weg. Wir versuchen sie unterwegs einzuholen.
Dann geht es auf das letzte Stück. Zuerst wieder bergauf. Es dämmert bereits. Als wir die Höhe erreichen liegen uns 1000 Lichter zu Füßen.(Hier war dann mein Fotoakku leer. Wolfgang hat aber schöne Bilder bei marathon4you)
Laufen geht jetzt erstaunlich gut. Kein einziges Mal müssen wir wegen langsameren Läufern Pause machen. Wir laufen auf breiten Asphaltwegen. Es wird dunkel. Ich such mir Lichtkegel von Stirnlampen und hoffe, dass wenn vor mir keiner stürzt, der Weg frei ist. Auch bergauf komm ich nun gut mit. Plötzlich geht es ziemlich steil bergab. Das ist schon komisch, so ins nichts zu laufen. Dann wird der Weg uneben. Wir sind im Wald. Eine Pinkelpause wird ausgerufen.
Gefühlt müssten wir gut die Hälfte der Etappe hinter uns haben. Im Wald ist das jetzt nicht mehr so angenehm. Pfützen und andere Unebenheiten sind kaum zu sehen.Plötzlich kommt eine Warnung von vorne: Eisplatten. Jetzt werde ich doch leicht panisch. Ganz am Wegrand geht es. Ich sehne das Ende des Weges herbei.
Und dann sind wir auf einer Straße. Ein Polizeiauto erwartet uns. Rechts am riesigen (Kur)klinikbau entlang laufen wir, und da der Gehweg zu eng ist sperren wir als große Gruppe die Straße halbeitig. Es geht leicht bergab, und die Straßenlaternen erleichtern das laufen ungemein. Es ist halt doch schön, wenn man was sieht. Das geht so bestimmt einen Kilometer. Auch das Funkhaus des SWR lassen wir rechts liegen.
Irgendwann geht es rechts in einen Fußweg und dann steil bergab. Ich glaube ich bin nicht die einzige, die jetzt ihre Knie spürt. Gehen wär zwar besser, aber der Weihnachtsmarkt, und somit das Ziel muss da unten irgendwo sein. Und jeder will natürlich mit der Gruppe einlaufen. So beißen wir nochmal die Zähne zusammen. Da sind die ersten Lichter. Die Walker erwarten uns. Wir laufen durch die eigens für uns abgesperrten Gassen im festlich geschmückten Weihnachtsmarkt direkt vor die Große Bühne unter der Konzertmuschel.
Rolf und Brigitte sind schon oben. Es werden offizielle Glückwünsche ausgetauscht. 9000 Euro wurden Heute erlaufen. Geil was?
Bei den dichtgeträngten Läufern gibt es Glühwein und Weckmänner. Mit kollektives Glückwünschen saugen wir die einzigartige Athmosphäre auf.
Was jetzt noch kommt?
Trotzdem wir unterwegs ziemlich verspätet waren muss es noch auf 18 Uhr gereicht haben. Die letzten Kilometer waren demnach ganz schön flott. Wir suchen die Trinkhalle, wo unser Gepäck bereitsteht. Zum Bus ist es nicht weit. Er bringt uns wieder zur Tulahalle. Dort kann man sich frischmachen. Zum Abendessen gibt es Nudeln mit 2 verschiedenen Soßen und Kuchen (also nicht irgendwelches Marmorzeugs sondern wie Gesstern schon verschiedenste Obstkuchen und Torten).
Von den Durbacher Winzern gibts noch ein Fläschchen Wein mitEisweinlaufaufdruck. Außerdem soll es künftig einen Eisweinlaufwein geben. Ein Teil des Verkaufserlöses soll der“Guten Sache“ gespendet werden.´´
laufendhelfen.de ist eine private Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, mit laufsportlichen Leistungen anerkannte Hilfsorganisationen finanziell zu unterstützen.
Brigitte und Rolf Mahlburg stellen ihren Einsatz während Ultra- und Abenteuer-Laufveranstaltungen unter ein Motto und wollen auf diesem Wege Sponsoren für das jeweilige Hilfsprojekt gewinnen.
Sämtliche Spenden kommen ohne Abzüge der (vor dem Event) festgelegten Hilfsorganisation zugute bzw. werden vom Sponsor/Spender direkt an die jeweiligen Hilfsorganisationen überwiesen – die Teilnahme an den jeweiligen Veranstaltungen ist selbst finanziert.
Die Spenden des Eisweinlaufs kamen dieses Jahr der Aktion „Benni und Co“ und der Baden Badener Lebenshilfe zugute.
Leider bin ich echt müde schon vor 22 Uhr verabschieden wir uns. Auch andere, die nicht übernachten verlassen den gastlichen Ort bevor es richtig gemütlich wird. Der Abschied ist genauso herzlich wie das Willkommen.
Birgit am Dezember 20th 2012 in 2012, Ultraläufe
1 Kommentar zu “11. Eisweinlauf”
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Wolfgang Bernath schrieb am 20 Dez 2012 um 14:12 #
Liebe Birgit,
danke für Deinen umfangreichen Bericht, der mir deutlich vor Augen führt, was ich alles miterlebt, aber zu erzählen vergessen habe. Leider hast Du nicht erwähnt, wem die noch sauberen strammen Waden am Beginn des Berichts gehören… 🙂
Euch schöne Feiertage und ein verletzungsfreies 2013!
Wolfgang